Coaches und Therapeut*innen beklagen sich mitunter darüber, dass ihre Klient*innen ihre Ziele im Coachingprozess nicht erreichen konnten. «Hätten doch nur ihre Klient*innen die gemeinsam vereinbarten Aufgaben und Übungen durchgeführt», heisst es dann häufig. Dieser Artikel beleuchtet Gründe, weshalb es zu einem Versagen kommen kann.
Oft werden in Coaching und Therapie zwischen den stattfindenden Sitzungen mit den Klient*innen Übungen vereinbart, um den Coachingprozess aufrechtzuerhalten oder um Erreichtes zu stabilisieren. Diese Vorgehensweise findet sich in vielen Bereichen, u. a. in der Schulmedizin, in der Physiotherapie und dem Coaching. Nur oft werden diese wichtigen Elemente im Coachingprozess nicht oder zu wenig konsistent eingehalten. Das ist für das gewünschte Ziel nicht förderlich. Auch wenn Klient*innen im darauffolgenden Coaching nickend zustimmen, dass die Aufgaben wichtig seien, scheinen sie weiterhin wenig Initiative zu zeigen. Es wäre aber aus motivationspsychologischer Sicht zu kurz gegriffen, eine mangelnde Initiative als fehlendes Engagement abzutun. Woran liegt es?
Aus einer motivationspsychologischen Sicht könnte man sich die Frage stellen, was einen Menschen antreibt, zu tun, was er tut. Diese Frage ist wertfrei. Denn als nutzenorientierte Lebewesen orientieren auch Menschen ihr Handeln an der gewünschten Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Menschen tun, was sie tun, FÜR etwas.
Das Reiss Motivation Profile®, kurz RMP, ist das erste empirisch entwickelte Persönlichkeitsprofil, das der Beantwortung dieser Frage auf den Grund geht. Es ermöglicht mit einer Auswertung, auf den Persönlichkeitskern eines Menschen zu blicken. Es misst 16 sogenannte Lebensmotive, die – der Theorie nach – genetisch vorgegeben sind. Je stärker ein Lebensmotiv ausgeprägt ist, desto wichtiger ist es für die Person, dass sie dieses Motiv leben kann. Dann erfährt sich eine Person als richtig. In der aktuellen statistischen Normierung der Bemessungsgrundlage befinden sich derzeit 79’888 Menschen (Stand: 01.04.2022) aus Amerika, Europa und Asien. Damit gelten sogar kulturübergreifend die gleichen Motive.
Das RMP zeigt auf, wo die Hebel angesetzt werden können, wenn es um die Motivation eines Menschen geht. Dazu ein Beispiel: Stelle Dir vor, eine Person hat einen hohen Antrieb nach Anerkennung. Für sie ist Lob ein wichtiger Treibstoff ihrer Persönlichkeit, der Arbeit und ihres Wirkens. Alles, was die Person tut, beabsichtigt sie perfekt umzusetzen. Daher wird sie jegliche Kritik im Coachingprozess persönlich nehmen und schnell an sich zweifeln, wenn sie für ihren Beitrag im Coaching nicht gelobt wird. Sie ist schnell verunsichert und wird an Aufgaben eher vorsichtig herantreten (sie könnte scheitern) und daran zweifeln, ob sie diese schaffen kann.
Wird sie gelobt, ist das der Treibstoff, für den sie bereit ist 200% zu geben. Wenn diese Person im Coaching eine Aufgabe erhält, die sie (über)fordert und von der sie bezweifelt, sie umsetzen zu können, wird sie es nicht tun. Oder sie wird es versuchen und daran zweifeln, ob sie es richtig tut. Es ist positives Feedback nötig, um den Coachingprozess aufrechtzuerhalten. Eine Person mit einer tiefen Ausprägung nach Anerkennung ist hingegen selbstsicher, sich gegenüber optimistisch eingestellt und mitunter Kritik-resistent. Diese Person benötigt hingegen deutliche und konstruktive Kritik, um dranzubleiben. Gleichzeitig wird sie an ihre Aufgaben selbstsicher herangehen.
Ein weiterer Blickwinkel aus motivationspsychologischer Sicht ist, welche Lebensmotive ein Coach gleichzeitig hat. Denn je nachdem, wie dessen Ausprägung ist, verändert sich die Kommunikation und die Interaktion mit Klient*innen im Coaching. Der Spruch „Gleich und Gleich gesellt sich gerne“ macht es deutlich. Wir gesellen uns gerne zu Menschen, welche die gleichen Motive haben.
Im Coaching besteht jedoch der Anspruch, dass ein Coach die Werte und Motive seiner Klient*innen erkennt, versteht und aufgrund derer die Coachingprozesse gestaltet. So wird ein Coaching zu einem zufriedenstellenden und Motiv-orientierten Engagement, in dem Klient*innen ihre Ziele erreichen. Das Persönlichkeitsprofil des RMP bietet somit die Grundlage, die Motive von Klient*innen zu kennen, bevor das Coaching beginnt.