Es herrscht ein grosser Boom im Ausbildungsmarkt «Hypnosetherapie & Schmerzen». Chronische Schmerzen und Krankheiten nehmen in der Bevölkerung zu. Rückenschmerzen sind bei Erwachsenen ein häufiger Grund für einen Arztbesuch sowie für Arbeitsunfähigkeit – bis hin zur Invalidität. Schmerzpatienten, die somit auch enorme volkswirtschaftliche Kosten[1] verursachen.
Schmerzen, chronische Schmerzen: Schmerzmanagement
Laut der Studie «Pain in Europe»[2], leiden in Europa 75 Millionen Menschen an Schmerzen. Die Gesamtkosten, die durch chronische Schmerzen entstehen, sind mit den Kosten für Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vergleichbar, wie die Untersuchung zeigt. Das Thema «Schmerzmanagement» ist also nicht von der Hand zu weisen.
Diagnostizierte chronische Schmerzen haben oft multiple, unklare Ursachen und können sich zu einem eigenen Krankheitsbild entwickeln. Anhaltende wie auch zeitweise wiederkehrende Schmerzen können die Handlungsfähigkeiten von Menschen, ihre Beweglichkeit und Lebensqualität stark einschränken und wirken sich ebenfalls stark auf die psychische Gesundheit aus.
Chronische Schmerzen (insbesondere Rückenschmerzen) und Depressionen treten bei einem so hohen Anteil von Personen gleichzeitig auf, so dass aktuell in der Forschung die These aufgestellt wird, dass es sich um das gleiche gesundheitliche Phänomen handeln könnte[3]. Daher überrascht es nicht, dass rund 200’000 Menschen zeitweise an Suizid denken, da sie den Schmerz kaum aushalten können.
Es werden vermehrt medizinische Operationen in Krankenhäusern hypnotisch begleitet. Dabei werden physische Heilprozesse angeregt, als auch eine Reduktion von Anästhetika erreicht. Auch Brandopfer und diverse chronische Krankheiten werden parallel mit Entspannungstechniken aus Hypnose und Meditation behandelt.
Wo stehen wir Hypnotiseure ohne medizinische Ausbildung?
In der Erstversorgung bei Feuerwehr und Sanität wird bereits Fachpersonal in SOS Hypnosetechniken ausgebildet, um Stress, Angst und Schmerzzustände direkt am Unfallort anzugehen. Spitäler, Arzt- und Zahnarztpraxen vertrauen auf ihr eigenes und medizinisch adäquat ausgebildetes Personal. Auch Ärzte und Krankenschwestern werden in Hypnose ausgebildet, und setzen diese neben ihren regulären Aufgaben ein. Ein externer Hypnotiseur würde zusätzlich Geld kosten. Zudem fehlt häufig das Vertrauen, da weder Titel noch Ausbildungen standardisiert oder staatlich legitimiert sind.
Feuerwehr, Sanitär, Spitäler, Praxen: In diesem Segment scheint man, neben löblichen Ausnahmen, nicht auf uns Hypnotiseure zu warten.
Aber: Ist ein Patient aus der Praxis, gilt häufig: aus den Augen, aus dem Sinn. Unsere grosse Chance liegt in der Nachbetreuung von Patienten. Wir können uns die Zeit nehmen, um auf unsere Klient*innen einzugehen und wir wissen, dass diese medizinisch gut abgeklärt wurden. Letzteres ist die wichtigste Voraussetzung, um «Schmerztherapie mit Hypnose» einzusetzen oder mit chronischen Erkrankungen zu arbeiten. Dies gilt rechtlich(!) und grundsätzlich.
Eine akute Situation unterscheidet sich erheblich von einer chronischen
Ein Patient wird durch einen Unfall oder ein Leiden aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen. Dadurch ist der Leidensdruck hoch, und es gibt wenige Ablenkungen. Da der Patient noch keine lange Leidensgeschichte hat, macht er sich in der Anfangsphase «noch» keine grossen Zukunftsängste. Gleichzeitig ist er durch seine Situation in einem hoch-suggestiblen Zustand. D. h., dass Erfolge schnell sichtbar sein können und wirken.
Zu Hause nach dem Krankenhausaufenthalt ist dann vieles anders. Eine gewohnte Umgebung, viel Ablenkung, Zeit sich mit Erinnerungen zu plagen und sich vor der Zukunft zu ängstigen. Da sich gleichzeitig in der Regel der Bewegungsradius und das soziale Umfeld verkleinert, sind Beruf und Zukunft einem potenziellen Risiko ausgesetzt. Dagegen komme ich als Hypnotiseur mit einer reinen Symptombekämpfung bei Weitem nicht an.
Wo liegen die Chancen für Hypnotiseure und das Schmerzmanagement?
Wie oben erwähnt, gibt es aus erklärlichen Gründen nur wenige direkte Kooperationen mit Ärzten, insbesondere im Schmerzbereich. Dies muss aber auch nicht zwingend angestrebt werden. Eine Aussensicht bietet Schmerzpatienten neue Perspektiven und neue Herangehensweisen fürs Schmerzmanagement.
Hypnotiseure, die chronische Schmerzen in mehreren Stufen strategisch behandeln, haben hier die Nase vorn: Negativ bewertete Erinnerungen und Unfall-, resp. Diagnoseschocks verarbeiten, eine neue, positive Zukunft planen, und Einfluss auf Körper und Umfeld der Klient*innen nehmen.
Und genau hier liegt eine der Marktmöglichkeiten für Hypnotiseure: Sie arbeiten parallel zu Ärzten. Dabei betreuen sie Schmerzpatienten mit mehrstufigen Konzepten, die auch die psychologischen Ebenen aktiv berücksichtigen.
Es gilt die Grundregel, dass neben der normalen Hypnose-Ausbildung vertiefte Schmerzkonzepte studiert werden sollten. Und auch medizinische Grundlagenausbildungen helfen der Legitimität der Hypnotiseure gegenüber medizinischen Fachpersonen wie Ärzten und Chirurgen. Des Weiteren unterstützen sie, das Leiden von Patient*innen besser zu verstehen. In der Regel decken Hypnose-Ausbildungen diesen Bereich nicht ab.
Fazit
Hypnose bei chronischem Schmerzleiden bietet eine grosse Chance für die wachsende Zahl an Hypnotiseuren. Es ist ein relativ «junger» Markt, der viele Möglichkeiten bietet – jedoch zuvorderst qualifiziert ausgebildeten Hypnotiseuren, die der Thematik «Schmerztherapie» auf Augenhöhe begegnen können.
Referenzen
[1] Wieser, S. et al. (2014). Kosten der körperlichen Inaktivität in der Schweiz.
[1] Robert Koch-Institut (2012). Rückenschmerzen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Heft 53).
[1] SNF (2011). Muskuloskelettale Gesundheit – Chronische Schmerzen. Ergebnisse aus fünf Jahren Forschung.
[1] Rheumaliga Schweiz (2011). Rückenreport Schweiz 2011.
[2] Harald Breivik et al. (2005). Survey of chronic pain in Europe: Prevalence, impact on daily life, and treatment. (https://doi.org/10.1016/j.ejpain.2005.06.009)
[3] Baer, N. et al. (2013). Depression in der Schweizer Bevölkerung. Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.
[3] Bär, K.-J. (2021). Schmerz und Depression. Der Schmerzpatient; 4(04): 166-171. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG.