Es herrscht ein Boom im Ausbildungsmarkt «Hypnosetherapie & Schmerzen». Chronische Schmerzen und Krankheiten nehmen in der Bevölkerung zu. Rückenschmerzen sind bei Erwachsenen ein häufiger Grund für einen Arztbesuch sowie für Arbeitsunfähigkeit – bis hin zur Invalidität. Das Volksleiden «Schmerzen» verursacht enorme volkswirtschaftliche Kosten verursachen. Können mit Hypnose Arbeitende hier einen Mehrwert in der Schmerztherapie bieten?
Das Potenzial der Hypnose im Schmerzmanagement
Laut der Studie «Pain in Europe» leiden in Europa 75 Millionen Menschen an Schmerzen. Die Gesamtkosten, die durch chronische Schmerzen entstehen, sind mit den Kosten für Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vergleichbar, wie die Untersuchung zeigt. Der Bedarf an «Schmerzmanagement» ist demzufolge hoch.
Diagnostizierte chronische Schmerzen haben oft mehrfache, unklare Ursachen und können sich zu einem eigenen Krankheitsbild entwickeln. Anhaltende wie auch zeitweise wiederkehrende Schmerzen können die Handlungsfähigkeiten von Menschen, ihre Beweglichkeit und Lebensqualität stark einschränken und wirken sich ebenfalls stark auf die psychische Gesundheit aus.
Chronische Schmerzen (insbesondere Rückenschmerzen) und Depressionen treten bei einem so hohen Anteil von Personen gleichzeitig auf, sodass aktuell in der Forschung die These aufgestellt wird, dass es sich um das gleiche gesundheitliche Phänomen handeln könnte. Daher überrascht es nicht, dass rund 200’000 Menschen zeitweise sogar an Suizid denken, da sie den Schmerz kaum aushalten können und keine Linderung in Sicht ist.
In Krankenhäusern werden vermehrt medizinische Operationen erfolgreich mit Hypnose begleitet. Dabei werden gleichzeitig physische Heilprozesse angeregt, als auch eine Reduktion von Anästhetika, also Schmerzmittel erreicht. Auch Patienten mit Brandverletzungen oder diversen chronische Krankheiten werden während der medizinischen Behandlung in Krankenhäusern bereits mit Entspannungstechniken aus Hypnose und Meditation behandelt.
Hypnose erfreut sich offensichtlich zunehmender Bekanntheit und könnte Hilfe suchenden Menschen im Gesundheitswesen eine wirkungsvolle Stütze sein.
Wo stehen Hypnotiseure ohne medizinische Grundausbildung?
In der Erstversorgung bei Feuerwehr und Sanität werden stellenweise Fachpersonal in Hypnosetechniken ausgebildet, um Stress, Angst und Schmerzzustände direkt am Unfallort anzugehen. Spitäler, Arzt- und Zahnarztpraxen vertrauen dabei auf medizinisch adäquat ausgebildetes Personal. Auch Ärztinnen und Ärzte, sowie Pflegepersonal werden in Hypnose ausgebildet, und setzen die Methode neben ihren regulären Aufgaben ein. Ein externer Hypnotiseur würde zusätzliche Kosten verursachen. Zudem gilt, dass die klassische Medizin optimal ohne Hypnose auskommt, welche «nur» eine Dekoration ist.
Feuerwehr, Sanitär, Spitäler, Praxen: In diesem Segment scheint man, neben Ausnahmen, nicht auf zusätzliche Hypnotiseure zu warten.
Aber: Sind Patientinnen und Patienten aus der Praxis oder Klinik entlassen, gilt häufig: aus dem Auge, aus dem Sinn. Sie sind grösstenteils auf sich selbst gestellt. Die grosse Chance liegt in der Nachbetreuung von Patientinnen und Patienten. Dabei kann man sich angemessen Zeit nehmen, um auf sie einzugehen im Wissen, dass sie medizinisch gut abgeklärt sind. Letzteres ist die wichtigste Voraussetzung, um «Schmerztherapie mit Hypnose» einzusetzen oder mit chronischen Erkrankungen zu arbeiten. Dies gilt grundsätzlich und rechtlich(!).
Eine akute Situation unterscheidet sich erheblich von einer chronischen
Patienten werden durch einen Unfall oder ein Leiden aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen. Dadurch ist der Leidensdruck hoch, und es gibt wenige Ablenkungen. Da der Patient noch keine lange Leidensgeschichte hat, macht er sich in der Anfangsphase weniger grosse Zukunftsängste. Gleichzeitig ist er durch seine Situation aber in einem hoch-suggestiblen Zustand. D. h., dass Genesungserfolge schnell sichtbar sein können und wirken.
Zu Hause nach dem Krankenhausaufenthalt ist dann oft vieles anders. Eine gewohnte Umgebung, viel Ablenkung, Zeit sich mit Erinnerungen zu plagen und sich vor der Zukunft zu ängstigen. Da sich gleichzeitig in der Regel der Bewegungsradius und das soziale Umfeld verkleinert, sind Beruf und Zukunft einem potenziellen Risiko ausgesetzt. Dagegen kommen mit Hypnose Arbeitende und mit einer reinen Symptombekämpfung bei Weitem nicht an.
Wo liegen die Chancen für Hypnotiseur*innen und das Schmerzmanagement?
Wie oben erwähnt, gibt es aus erklärlichen Gründen vergleichsweise wenige direkte Kooperationen mit Ärzt*innen, insbesondere im Schmerzbereich. Dies muss aber auch nicht zwingend angestrebt werden. Eine Aussensicht bietet unter chronischen Schmerzen Leidende neue Perspektiven und neue Herangehensweisen fürs Schmerzmanagement.
Wer chronische Schmerzen in mehreren Stufen strategisch behandeln kann, hat hier die Nase vorn: Negativ bewertete Erinnerungen und Unfall-, resp. Diagnoseschocks verarbeiten, eine neue, positive Zukunft planen, und Einfluss auf Körper und Umfeld der Klient*innen nehmen.
Und genau hier liegt eine der Marktmöglichkeiten für Hypnotiseure: Sie arbeiten parallel mit dem medizinischen Personal. Dabei betreuen sie Schmerzpatient*innen mit mehrstufigen Konzepten, die auch die psychologischen Ebenen aktiv berücksichtigen.
Es gilt die Empfehlung, dass neben der normalen Hypnose-Ausbildung vertiefte Schmerzkonzepte studiert werden sollten. Aber auch medizinische Grundlagenausbildungen helfen der Legitimität der Hypnotiseur*innen gegenüber medizinischen Fachpersonen wie Ärzt*innen und Chirurg*innen. Des Weiteren unterstützen sie, das Leiden von Patient*innen besser zu verstehen.
Fazit
Mit Hypnose Arbeitende können durchaus einen Mehrwert bieten bei Menschen mit chronischem Schmerzleiden. Es ist ein Markt mit einer hohen Nachfrage, der viele Möglichkeiten bietet – besonders für qualifiziert ausgebildete Hypnotiseur*innen, die der Thematik «Schmerztherapie» auf Augenhöhe begegnen können.