EMDR – Beruhige das Zentrum der Angst

EMDR – Beru­hige das Zen­trum der Angst

Der Vor­hang scheint sich immer wei­ter über die Wir­kungs­weise des EMDR (Eye Move­ment and Desen­si­tiza­tion) zu lich­ten. Seit der Ent­wick­lung in den 1980er-​​Jahren wurde die Methode zum Stan­dard gegen post­trau­ma­ti­sche Belas­tungs­stö­run­gen (PTBS). Viele Hypo­the­sen über die Wir­kungs­weise wur­den seit­dem auf­ge­stellt. Die meis­ten davon muss­ten jedoch wie­der ver­wor­fen wer­den. Doch jüngere Stu­dien schei­nen dem Rät­sel der Wir­kung auf die Schli­che gekom­men zu sein.

Angst

«Jedes Mal, wenn die Türe sich schliesst, bekomme ich Atem­not. Mir bricht dann der Schweiss aus. Mein Gesichts­feld ver­engt sich. Und ich glaube, ich falle in Ohn­macht. Ich weiss nicht, woher. Am liebs­ten würde ich weg­ren­nen.» So beschreibt ein über­wie­se­ner Kli­ent seine Flug­angst. Nen­nen wir ihn hier Herr Stu­der.

Angst ist ein nor­ma­les Gefühl. Es ist eine Reak­tion auf bedroh­li­che Situa­tio­nen. Aber auch schein­bar bedroh­li­che Erfah­run­gen. Sie dient dem Zweck des Über­le­bens und des Schut­zes. Der Ursprung liegt in der Ent­wick­lung und Anpas­sung unse­res Gehirns auf Lebens­be­droh­li­ches, wie der «Gefahr des Säbel­zahntigers» bei unse­ren Vor­fah­ren.

Amygdala

Es zei­gen sich bei einer Angst­re­ak­tion kör­per­li­che Reak­tio­nen: Es beschleu­nigt sich u.a. der Herz­schlag, der Blut­druck steigt, die Pupil­len wei­ten sich, und es wer­den die Hor­mone Adre­na­lin und Nor­ad­re­na­lin aus­ge­schüt­tet. Diese lebens­wich­ti­gen Abläufe akti­vie­ren den Kör­per zur Flucht oder zum Kampf.

Die Angstreak­tion wird von einem Netz­werk des Gehirns gesteu­ert – der Amyg­dala (siehe Abbil­dung). Es ist eine der ältes­ten Hirn­re­gio­nen. Die Amyg­dala ist eine kleine man­del­för­mige Hirn­struk­tur tief im Inne­ren unse­res Gehirns. Man könnte auch sagen, die Amyg­dala ist ein Reak­ti­ons­sys­tem auf Gefah­ren. Wenn sie akti­viert wird, regt die Amyg­dala ver­bun­dene Hirn­re­gio­nen an. Herr Stu­der spürt, wie sein Kör­per ent­spre­chend zur Flucht oder Ver­tei­di­gung akti­viert wird. Mit EMDR wol­len wir das ver­hin­dern. 

Das Angst­zen­trum beru­hi­gen

Auch wenn die Amyg­dala schon lange ein Bestand­teil unse­res Gehirns ist, so haben sich mit der Ent­wick­lung der Zivi­li­sa­tion die Gefah­ren ver­än­dert: Die Angst vor dem Säbel­zahn­ti­ger war frü­her lebens­be­dro­hend. Prü­fungs­angst, Flug­angst oder Angst vor der Erwerbslo­sig­keit hin­ge­gen nicht.

Schwie­rig wird es aber dann, wenn Angst zum stän­di­gen Beglei­ter wird und die Lebens­qua­li­tät eines Men­schen stark beein­träch­tigt. Dann ist die stän­dige Akti­vi­tät der Amyg­dala ener­gie­r­au­bend und kos­tet kör­per­lich und men­tal viel Kraft.

Zu Angst zäh­len z. B. Pho­bien, wie Platz­angst, Höhen­angst oder Flug­angst (wie bei Herrn Stu­der). Es zäh­len aber auch Zwangs­stö­run­gen dazu, wie der Wasch-​​ oder Kon­troll­zwang. Häu­fig erwähnt sind eben­falls post­trau­ma­ti­sche Belas­tungs­stö­run­gen (PTBS) infolge einer äus­serst belas­ten­den Erfah­rung, eines Trau­mas. Allen gemein­sam ist, dass das all­täg­li­che Leben dadurch stark beein­träch­tigt ist.

Es ist daher ein wich­ti­ges Ziel einer The­ra­pie, eine Angstreak­tion gezielt redu­zie­ren zu kön­nen. Eine Mög­lich­keit bie­tet die The­ra­pie­me­thode EMDR.

Wie «wirkt» EMDR auf das Gehirn?

Fol­gend zwei Stu­dien im Über­blick, wel­che die Wirk­sam­keit und Funk­tion von EMDR aus neu­ro­bio­lo­gi­scher Sicht unter­sucht haben.

Stu­die #1: Ver­bes­ser­tes Extink­ti­ons­ler­nen bei trau­ma­ti­sier­ten Per­so­nen

Pierre-​​François Rous­seau und seine Kol­le­gen zeig­ten in ihrer Stu­die, dass die The­ra­pie­me­thode EMDR das Angst­emp­fin­den deut­lich senkt. Dazu nah­men an der Stu­die 36 Per­so­nen mit post­trau­ma­ti­scher Belas­tungs­stö­rung teil. Die Teil­neh­menden hat­ten Erleb­nisse aus Unfällen, Raub­über­fällen oder kör­per­li­cher Gewalt.

Die Teil­neh­menden wur­den in der Stu­die zufäl­lig einer Gruppe zuge­wie­sen: In der einen Gruppe wur­den die Per­so­nen mit EMDR behan­delt, in der ande­ren Gruppe mit einer alter­na­tiven The­ra­pie. Zusätz­lich wur­den die Gehirne der Teil­neh­men­den vor und nach der The­ra­pie mit­tels fMRT unter­sucht. Die Resul­tate waren ein­deu­tig: Es zeigte sich, dass in der EMDR-​​Gruppe die Angst­re­ak­tio­nen durch die Augen­be­we­gun­gen signi­fi­kant gerin­ger waren. Zudem fand man her­aus, dass sich durch die EMDR-​​Therapie die Berei­che der Amyg­dala ver­än­der­ten.

Auch beob­acht­bar war ein ver­bes­ser­tes Extink­ti­ons­ler­nen der Teil­neh­men­den. Extink­ti­ons­ler­nen ist die Fähig­keit erlernte Ver­hal­tens­mus­ter umzu­ler­nen. Das ist wich­tig, um Erfah­run­gen neu ein­zu­ord­nen und ein neues Nar­ra­tiv zu ent­wi­ckeln: Von bei­spiels­weise «das war schreck­lich» zu «ich habe es über­stan­den».

Um eine «Angst» umzu­ler­nen, scheint es offen­sicht­lich wich­tig zu sein, dass das Reak­ti­ons­sys­tem auf Gefah­ren (Amyg­dala) beru­higt wird. Danach erst kön­nen die Netz­werke wirk­sam wer­den, die für ein «Umler­nen» ent­schei­dend sind.

Stu­die #2: Gestei­ger­tes Extink­ti­ons­ler­nen durch Deak­ti­vie­rung der Amyg­dala

Das Team um Lycia D. de Voogd konnte eben­falls wich­tige Erkennt­nis aus ihrer Stu­die gewinnen. Sie erreich­ten ähn­li­che Ergeb­nisse wie aus der vor­her genann­ten Stu­die. Mit jeweils 24 Teil­neh­men­den führten sie EMDR-​​Augen­be­we­gun­gen durch. Die Amyg­dala-Akti­vi­tät war wäh­rend­des­sen bei den Teil­neh­men­den gra­du­ell weni­ger aktiv.

Gleich­zei­tig wur­den wei­tere Berei­che des Gehirns akti­viert. Und zwar jene, die für Ent­schei­dungs­pro­zesse, die Umset­zung geziel­ter Hand­lun­gen, das Lösen von Pro­ble­men, das Ver­ar­bei­ten von Infor­ma­tio­nen und die Regu­lie­rung von Emo­tio­nen zustän­dig sind.

Auch hier wurde gezeigt, dass einer­seits die EMDR-​​Augenbewegungen die Amyg­dala gra­du­ell beru­higen. Es wer­den zudem Netz­werke akti­viert, die für Lösungs­fin­dung und Ent­schei­dungs­pro­zesse wich­tig sind – sozu­sa­gen für die nächs­ten Schritte, nach­dem die Gefahr gebannt ist.

EMDR in der Anwen­dung

Herr Stu­ders Beschrei­bung sei­ner EMDR-​​Behandlung deckt sich fast mit jener, der zwei­ten Stu­die. «Ich kann wie­der klar den­ken und das mir immer noch unan­ge­nehme Gefühl aus­blen­den. Aus­ser­dem weiss und spüre ich jetzt, dass ich im Flug­zeug sicher bin», so seine Aus­sage nach der ers­ten Behand­lung.

Manch­mal kön­nen sol­che Ver­än­de­rungs­pro­zesse schnell gehen. Den­noch ist die Methode EMDR keine Garan­tie für schnelle Ver­än­de­rung. Die stärks­ten und wich­tigs­ten Wirk­fak­to­ren im Coa­ching und der The­ra­pie sind eine posi­tive Bin­dungs­er­fah­rung des Coa­chees, der Klient*innen und der Com­pli­ance.

Zusam­men­fas­sung

Die Stu­dien zei­gen, dass die Augen­be­we­gun­gen des EMDR auf die Amyg­dala ein­wirken. Dies erhär­tet einer­seits die Wirk­sam­keit des EMDR zur geziel­ten Behand­lung von Ängs­ten. Ande­rer­seits wird mit immer wei­ter ent­wi­ckel­ter Tech­nik erklär­bar, wie genau die Wir­kungs­weise die­ser The­ra­pie­me­thode ist.

Metho­den genauer erklä­ren zu kön­nen, ist für Anwen­der wich­tig. Damit wis­sen sie, in wel­chen Fäl­len wel­che Methode sinn­vol­ler­weise ange­wen­det wird, und stüt­zen sich nicht auf unbe­legte Ideen. In der Folge wird eine Behand­lung, The­ra­pie oder ein Coa­ching fokus­sier­ter – für Klient*innen und Coa­ches, Therapeut*innen und Begleit­per­so­nen.


Refe­ren­zen

Swiss Coa­ching
Asso­cia­tion
VPT Verband Persönlichkeitstraining
Schwei­zer Dach­ver­band Per­sön­lich­keits­trai­ning
Reiss Moti­va­tion Pro­file
Society of NLP
Society of NLP -
Dr. Richard Band­ler
Managerverband
Deut­scher
Mana­ger­ver­band