5 Mythen über Trancetiefe entzaubert

5 Mythen über Tran­ce­tiefe ent­zau­bert

Für viele mit Hyp­nose Arbei­tende ist Tran­ce­tiefe ein Schlüs­sel­ele­ment, um mit dem soge­nann­ten «Unbe­wuss­ten» zu kom­mu­ni­zie­ren. Dabei ist deren grösste Sorge, Kli­en­ten «tief» genug in den Zustand zu brin­gen. Fol­gend wis­sen­schaft­li­che Fak­ten rund um die soge­nannte Trance, die man als Hypnose-​​Coach oder -The­ra­peut wis­sen sollte.

Mythos 1: Gehirn­wel­len zei­gen uns, wann Hyp­nose statt­fin­det

In vie­len Aus­bil­dun­gen wird ver­mit­telt, dass Gehirn­wel­len­ak­ti­vi­tä­ten im Theta-​​ und Del­ta­be­reich Tran­ce­tiefe und hyp­no­ti­sche Reak­tio­nen bele­gen. Das ist z. B. eine der Ideen hin­ter dem Zäh­len von 10 bis 0. Oder auch den Sug­ges­tio­nen wie «tie­fer und tie­fer». Aus der Gehirn­wel­len­ak­ti­vi­tät allein kann jedoch nicht erkannt wer­den, ob Hyp­nose statt­fin­det. So wird bezüg­lich der Alpha-​​Aktivität in Hyp­nose über eine Viel­zahl wider­sprüch­li­cher Befunde berich­tet (vgl. Lar­big & Milt­ner, 1993). Einer­seits wird über einen Anstieg im Alpha-​​Bereich berich­tet, ande­rer­seits konn­ten die Ergeb­nisse nicht bestä­tigt wer­den (vgl. Més­záros & Banyai, 1978). In ande­ren Gehirnwellen-​​Bereichen kommt man auf ähn­lich unschlüs­sige Ergeb­nisse.

Wor­über hin­ge­gen in der For­schung wei­test­ge­hend Einig­keit herrscht, ist, dass in dem ver­än­der­ten Bewusst­seins­zu­stand funk­tio­nelle Ver­än­de­run­gen im Gehirn beob­acht­bar sind. So unter ande­rem:

Sobald jemand in einen hyp­no­ti­schen Zustand geht, redu­ziert es die Akti­vi­tät im dor­sa­len ante­rio­ren Zin­gu­la­tor­kor­tex (dACC), des Salienz-​​Netzwerkes. Der Bereich sagt dir, ob du auf­merk­sam sein soll­test, oder nicht. Wenn es etwa laut ist, schreckst du auf und schaust, was es ist. Dabei löst du dich davon, wor­auf du dich gerade kon­zen­triert hast. Hyp­nose hilft sich bes­ser zu kon­zen­trie­ren und weni­ger dar­über zu sor­gen, was um einem herum pas­siert.

Das andere, was pas­siert, ist eine höhere Ver­bin­dung zwi­schen dem dor­so­la­te­ra­len prä­fron­ta­len Kor­tex (DLPFC) auf der lin­ken Seite – Bestand­teil der Exe­ku­tiv­funk­tio­nen – und der Insula, einem wich­ti­gen Gehirn-​​Körper-​​Pfad. Die Insula hilft dem Gehirn zu kon­trol­lie­ren, was im Kör­per geschieht. Damit hat man eine grös­sere Fähig­keit auf Kör­per­funk­tio­nen Ein­fluss zu neh­men.

Gleich­zei­tig ist die Ver­bin­dung zwi­schen den Exe­ku­tiv­funk­tio­nen und dem Default Mode Netz­werk (DMN) redu­ziert. Das DMN ist im Gehirn aktiv, wenn man über sich selbst nach­denkt sowie reflek­tiert, wer man ist und was das bedeu­tet (vgl. Jiang et al., 2017).

Mythos 2: Tran­ce­tiefe exis­tiert

Seit den ers­ten Stu­dien über Hyp­nose hat­ten For­scher die Auf­gabe, Ergeb­nisse und Reak­tio­nen zu mes­sen. Die dar­aus ent­stan­de­nen Stu­fen­kon­zepte waren ein Ver­such, beob­ach­tete hyp­no­ti­sche Phä­no­mene zu bewer­ten und ent­lang einer Tie­fen­di­men­sion anzu­ord­nen (vgl. Krause, 2009). Dabei wurde ange­nom­men, dass man über Stu­fen in eine tiefe hyp­no­ti­sche Trance gelangt.

Beson­de­res Inter­esse galt in den Ska­len dem soge­nann­ten Som­nam­bu­lis­mus. Da die meis­ten Ska­len auf Beschrei­bun­gen der Hyp­no­ti­sier­ten beru­hen, kön­nen sie nicht ver­wen­det wer­den (vgl. Krause, 2009).

«Tiefe» ist daher eine Meta­pher, so wie Trance nur Trance ist, egal wie «tief» sie zu sein scheint. Es geht bei der Meta­pher «Tran­ce­tiefe» viel­mehr um ein «sich ver­tie­fen» und um ein «sich in den Trance-​​Prozess zu invol­vie­ren». Dabei wird die Auf­merk­sam­keit auf das innere Erle­ben gerich­tet, die für Such­pro­zesse benö­tigt wird.

Neu­ro­wis­sen­schaft­li­che Beweise inter­pre­tie­ren hyp­no­ti­sche Trance als einen ver­än­der­ten Bewusst­seins­zu­stand, der Auf­merk­sam­keit, Kon­zen­tra­tion und das Los­las­sen von Gedan­ken betont (vgl. Hals­band, Muel­ler, Hin­ter­ber­ger & Strick­ner, 2009; Rain­ville, Hof­bauer, Bush­nell, Dun­can & Price, 2002).

Des Wei­te­ren sind Auf­merk­sam­keits­kon­trolle, Kon­zen­tra­tion, Vor­stel­lungs­kraft, men­tale Ent­span­nung, ver­än­derte Wahr­neh­mung der Umge­bung, das Lösen von logi­schem und kritisch-​​analytischem Den­ken alles cha­rak­te­ris­ti­sche Ele­mente der Hyp­nose (Hals­band et al., 2009).

Hals­band & Wolf (2021) argu­men­tie­ren zuge­ge­be­ner­mas­sen über­zeu­gend:

“Wie kön­nen wir erwar­ten, die unter­schied­li­chen neu­ro­bio­lo­gi­schen Zusam­men­hänge her­aus­zu­fin­den, ohne die ver­schie­de­nen Ebe­nen der hyp­no­ti­schen Trance und ihre Gren­zen rich­tig defi­nie­ren zu kön­nen?”

Mythos 3: Der Sinn einer Induk­tion ist, den Kli­en­ten «tief» zu brin­gen

Ganz und gar nicht. Der Sinn einer Induk­tion ist bereits seit Erick­son eine stän­dige Mini­mie­rung der Rolle des Hyp­no­ti­seurs (zit. nach Erick­son 1952/​1995). So wird die Induk­tion ein Ein­ver­ständ­nis, dass eine Hyp­nose ein gemein­sa­mes Unter­neh­men ist: Der Pati­ent tut die Arbeit, und der Hyp­no­ti­seur hilft zu sti­mu­lie­ren und lei­tet an. Die «Tiefe» ist sekun­där, der Pro­zess ist wich­ti­ger.

Mythos 4: Es gibt beson­dere, tiefe Tran­ce­zu­stände, die nur gut geschulte Hyp­no­ti­seure errei­chen kön­nen

Der Mythos steht im direk­ten Zusam­men­hang mit Mythos 2: Tran­ce­tiefe exis­tiert.

Mythos 5: Kli­en­ten in Trance blei­ben wäh­rend der gan­zen Ses­sion in der «tie­fen» Trance

Stelle dir einen acht­stün­di­gen Schlaf vor. Wir wis­sen, dass der Schlaf mal tie­fer (REM-​​Phasen) und auch mal weni­ger tief ist. So ver­hält es sich auch mit dem Trance-​​Erleben des Kli­en­ten.

Man­che Dinge sind in der Nacht akti­ver als andere. Es gibt Dinge, an die man sich erin­nert, und man­ches geht ver­ges­sen. So funk­tio­niert das Gehirn auch in einer Hyp­nose. Kli­en­ten erle­ben eine gewisse Auf­merk­sam­keits­fo­kus­sie­rung, die durch­weg wert­voll ist. Auch Frus­tra­tion kann in einer Hyp­nose wert­voll sein, wenn sie als Lern­er­fah­rung genutzt wird.

Resü­mee

Zusam­men­fas­send lässt sich sagen, dass Hyp­nose ein ver­än­der­ter Bewusst­seins­zu­stand ist, der genutzt wer­den kann, um Kon­zen­tra­tion und Ent­span­nung zu ver­bes­sern. Und auch, um Kli­en­ten dabei zu unter­stüt­zen, ihr Lei­den zu lin­dern. Neu­ro­wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen haben dabei gezeigt, dass es wäh­rend die­ses Zustands funk­tio­nelle Ver­än­de­run­gen im Gehirn gibt, wor­aus aber keine Trance oder Tran­ce­tiefe erkannt wer­den kann. Trance ist ein Erleb­nis, das weder genau gemes­sen noch defi­niert wer­den kann. – Tran­ce­tiefe ist eine Meta­pher.

Am nächs­ten kommt die Erklä­rung, dass eine Trance einem „Involviert-​​sein in den Pro­zess“ am nächs­ten kommt. Und dabei ist „die Tiefe“, wie sehr eine Per­son in den Pro­zess invol­viert ist. Für Kli­en­ten, die von einer tie­fen Trance berich­ten, bele­gen, dass sie sich dem Pro­zess zwi­schen ihnen und Hypnose-​​Coach voll gewid­met haben.

Daher kann man sagen, dass die Induk­tion zwar ein Schritt für eine Hyp­nose zu sein scheint, aber nicht der wich­tigste Schlüs­sel. Wich­ti­ger für einen hyp­no­ti­schen Zustand ist die ver­trau­ens­volle Bezie­hung und ein sich „gut auf­ge­ho­ben Füh­len“ der Kli­en­ten. Damit wird der Weg geeb­net, um sich ganz in den Coaching-​​Prozess zu invol­vie­ren.

  • Fle­xi­kon Doc­Check, https://flexikon.doccheck.com/de/Anteriorer_cingul%C3%A4rer_Cortex
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  • Hals­band, U., Muel­ler, S., Hin­ter­ber­ger, T., & Strick­ner, S. (2009). Plas­ti­city chan­ges in the brain in hyp­no­sis and medi­ta­tion. Con­tem­porary Hyp­no­sis, 26(4), 194 – 215. doi:10.1002/ch.386.
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  • Jiang, H.; White, M. P.; Grei­cius, M. D.; Waelde, L. C.; Spie­gel, D. (2017). Brain activity and func­tio­nal con­nec­tivity asso­cia­ted with hyp­no­sis. Cereb. Cor­tex 2017, 27, 4083 – 4093.
  • Krause, C. (2009). Hyp­no­ti­sier­bar­keit, Sug­gesti­bi­li­tät und Tran­ce­tiefe. In: Reven­storf, D., Peter, B. (eds) Hyp­nose in Psy­cho­the­ra­pie, Psy­cho­so­ma­tik und Medi­zin. Sprin­ger, Ber­lin, Hei­del­berg.
  • Lar­big, W. & Milt­ner, W. (1993). Hirn­elek­tri­sche Grund­la­gen der Hyp­nose. In Reven­storf, D. (Hrsg.). Kli­ni­sche Hyp­nose. Ber­lin: Sprin­ger; 105-​​121.
  • Més­záros, L. & Banyai, E. (1978). Elec­tro­phy­sio­lo­gi­cal cha­rac­te­ristics ofhyp­no­sis. In: Lis­sak K. (ed). Neu­ral and Neu­ro­hu­mo­ral Orga­niza­tion of Moti­va­tio­nal Beha­vior (173-​​187). Buda­pest: Aca­de­mia Kiado.
  • Rain­ville P., Hof­bauer R. K., Bush­nell M. C., Dun­can G. H., Price D. D. (2002). Hyp­no­sis modu­la­tes activity in brain struc­tures invol­ved in the regu­la­tion of con­scious­ness. J Cogn Neu­ro­sci. 2002 Aug 15; 14(6): 887-​​901. doi:10.1162/089892902760191117.
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