Sich mit den richtigen Fragen im Coaching vorbahnen
“Ist meine Klientin suizidal?” — Das war die Frage, welche mir eine Kollegin (NLP- und Hypnocoach) in einer Supervision stellte.
Anhand des geschilderten Verhaltens und Aussagen der Klientin, welche sie mir im Gespräch mitteilte, gingen wir zunächst davon aus, dass sie suizidal sein könnte. Mit einer Checkliste überprüften wir genauer, ob sie zu Recht beunruhigt war.
Vermutlich wäre sie darauf aufmerksam geworden, wenn die Frage im Anamnesebogen aufgegriffen worden wären. Ich empfehle solche Punkte deutlich vor der Sitzung zu positionieren. Auch wenn die Frage mit “Nein” beantwortet würde, kann der Punkt im Gespräch elegant eingebunden und die Reaktion des Coachees beobachtet werden.
Im NLP (Neurolinguistisches Programmieren) nennen wir das “Listing Programms”. Wir sprechen dabei bestimmte Themen an und beobachten dann unwillkürliche Körperreaktionen. Wäre die Reaktion auf das Thema “suizidal” bei einer Verneinung als unangenehm zu deuten gewesen, wäre das ein Indiz für das weitere Vorgespräch.
Download Anamnesebogen (doc)
Suizidal: Im Coaching ansprechen, oder nicht?
Meine Kollegin beschloss aufgrund unseres Gesprächs ihre Klientin bei der nächsten Sitzung darauf anzusprechen, ob sie suizidal sei. Nach ein paar Tagen rief sie mich an und erzählte, dass ihre Klientin tatsächlich ernst zu nehmende Suizidgedanken habe. Im darauffolgenden Coaching konnte sie gemeinsam mit ihrer Klientin daraufhin Wege bestimmen, die aktuelle Lebenssituation in bessere Bahnen zu lenken.
Es geht bei der vorliegenden Thematik zum einen darum, Hypnose-Therapeuten/-Coaches auf die Normalität des Phänomens “Suizid” sensibler zu machen. Zum anderen geht es auch darum, darauf aufmerksam zu machen, dass Suizidalität nicht nur ein Thema der Psychiatrie ist. Viele Menschen stehen in ihrem Leben an dem Punkt, an dem sie suizidal denken und keinen anderen Ausweg sehen.
In Supervisionen und im Seminar Grundwissen Psychopathologie wird Suizidalität und der Umgang damit thematisiert. Nach Rückfragen an die Teilnehmer scheint dies bisher das wichtigste Element der Weiterbildung zu sein. Dabei werden u. a. mögliche Notfall-Szenarien und handfeste Unterstützungstools für die Praxis vermittelt.
Suizidgedanken sind weit verbreitet
- Suizidgedanken müssen wegen der auftretenden Häufigkeit als „normal“ betrachtet werden.
- Jeder 8. Schweizer Einwohner steht einmal im Leben wegen eines Suizid-Versuches in medizinischer Behandlung
- Jeder 30. Einwohner der Schweiz & jede 100. Einwohnerin der Schweiz stirbt durch Suizid (vgl. Bundesamt für Statistik).
Leider werden in vielen Coaching-Ausbildungen psychiatrische Krankheitsbilder sowie Wirkungen und Nebenwirkung von Psychopharmaka noch zu wenig thematisiert, oder es wird kein Zugang dazu geboten. Mit diesem Angebot soll diese Lücke geschlossen werden.
Notfall-Plan im Fall “suizidal” parat haben
Es kann sehr gut sein, dass du als Coach oder Hypnotiseur nie in eine so schwierige bis kritische Situation geraten wirst. Falls dies jedoch einmal der Fall sein sollte, wäre es gut, einen Notfall-Plan in der Schublade zu haben.
In Krisensituationen und unbefriedigenden Therapien/Coachings zeigt sich der Grenzverlauf zwischen Therapie und Coaching am deutlichsten. Die Gratwanderung zwischen stationärer Behandlung und ambulantem Coaching wird dann nicht nur zu einer moralisch-ethischen Frage, sondern unter Umständen auch zu einer Thematik mit möglichen schwerwiegenden rechtlichen und finanziellen Folgen.
In meiner heutigen Praxis als Coach erlebe ich täglich Menschen, welche lieber ambulant zu einem Coach gehen, als die Stigmatisierung einer psychiatrischen Behandlung zu tragen. Klienten, die ich in gegebenen Fällen mit gutem Gewissen weiterverweise.
Referenzen
- Bundesamt für Statistik. Sterbehilfe und Suizid in der Schweiz 2014.